Zur Not läuft Reanimation im Landkreis Karlsruhe auch per Telefon
Eine Nummer, die Leben rettet: Seit 2009 gilt die Notrufnummer 112 europaweit. Der Europäische Tag des Notrufs will an dieses einfache und kostenlose Angebot erinnern. Und das ist auch nötig.
Diese Nummer sollte man kennen, sagt Oliver Haas, Feuerwehrkommandant der Großen Kreisstadt Bretten. Denn es komme noch immer vor, dass Leute im Feuerwehrhaus anrufen, etwa um einen Notfall melden.
Das sei in der Regel zwar nicht schlimm, wenn bei einem Starkregen der Keller mit Wasser vollgelaufen ist. „Doch im Ernstfall, wenn wirklich ein Brand vorliegt und Menschen in Gefahr sind, wäre es verhängnisvoll, wenn unnötig Zeit verstreicht, bis die Alarmierung der Rettungskräfte an der richtigen Stelle angekommen ist“, sagt Haas.
112 lautet die richtige Zahl dafür, die europaweit gilt. Und am 11.2. (analog zu 112) mit einem Erinnerungstag auch europaweit ins Blickfeld gerückt wird.
Die 112 sei die richtige Nummer bei jedem Unglücksfall, egal ob bei einem Unfall, Brand oder einem medizinischen Notfall der Rettungsdienst oder die Feuerwehr benötigt werde, sagt der Brettener Feuerwehrchef.
Und auch wenn man die Polizei benötige, greife die 112, obgleich die Polizei mit der 110 eine eigene Nummer hat. Denn alle Leitstellen seien ja miteinander verbunden und leiten die Anrufe an die richtige Stelle weiter. Die Leitstelle setzt dann die Feuerwehr, den Notarzt oder den Rettungswagen in Marsch.
Die W-Fragen: Korrekte Angaben sind wichtig
Die 112 hat Oliver Haas auch selbst schon benutzt: „Ich war in Stuttgart unterwegs, als ein Mann in der Bahn eine Herzattacke hatte“, berichtet der Feuerwehrmann, der umgehend den Notruf abschickte und dann Erste Hilfe leistete.
Wichtig sei bei der Alarmierung, die W-Fragen zu beantworten: Wer ruft an, was ist passiert, wo ist es passiert. „Und dann auf Rückfragen der Leitstelle warten und nicht gleich wieder auflegen“, sagt Haas. Nichts Schlimmeres für die Helfer, wenn der Anrufer in der Hektik nur die Gartenstraße als Unglücksstelle benennt ohne den dazu gehörigen Ort. Denn Gartenstraßen gibt es in der Region wie Sand am Meer.
Alle Notrufe kommen in aller Regel in der Integrierten Rettungsleitstelle in Karlsruhe an. Nur wenn dort alle Leitungen belegt sind, werden die Anrufe an andere Leitstellen weitergeleitet. 78 Mitarbeiter arbeiten dort im Schichtdienst, bis zu einem Dutzend pro Schicht. 35 sind Mitarbeiter der Feuerwehren im Stadt- und Landkreis, 32 gehören zum DRK, neun zum ASB und zwei zu ProMedic.
Auch für DRK-Kreisgeschäftsführer Jörg Biermann ist die 112 eine wichtige Nummer. „Oft rufen die Leute die 116 117 an und landen beim ärztlichen Notdienst“, berichtet er aus eigener Erfahrung. Das sei aber nicht die richtige Adresse für einen Unglücksfall.
Ansprechpartner sind Rettungssanitäter und Feuerwehrleute
Wer über die 112 in der Leitstelle anruft, hat sofort einen qualifizierten Ansprechpartner am Telefon. Die Hälfte der Mitarbeiter sind Rettungssanitäter, die schon zahllose Einsätze absolviert haben, die andere Hälfte gut ausgebildete und erfahrene Feuerwehrleute. „Wir hatten schon Reanimationen per Telefon, bei denen die Mitarbeiter der Leitstelle den mitunter hilflosen Leuten an der Unfallstelle Schritt für Schritt erklärten, was sie machen müssen“, berichtet Biermann.
Mehrfachmeldungen vom gleichen Unfall kommen relativ häufig vor, insbesondere bei Unfällen auf der Autobahn oder wenn bei Unwettern Bäume umstürzen. „Das merken unsere Leute dann aber ziemlich schnell“, bekundet der DRK-Chef.
Ganz schlimm sei es allerdings, wenn die Leute, bevor sie die 112 wählen, zuerst den Bruder, die Tante oder den Ehemann informieren und dann erst die Rettungskräfte. „Dadurch geht wertvolle Zeit verloren, wenn man erst einmal den Familienrat tagen lässt“, sagt Biermann. Und für manche Anrufer sei noch ganz wichtig, dass die Rettungskräfte ja nicht mit Blaulicht vorfahren. Was könnten denn da die Nachbarn denken!
DRK-Chef empfiehlt die Schnellwahltaste
Durchaus nicht selten passiere es, dass die Leute vor lauter Aufregung etliche Versuche brauchen, um die richtige Nummer zu wählen. Biermann empfiehlt deshalb, die Notrufnummer ins Handy einzuspeichern und mit einer Schnellwahltaste zu belegen. Schlecht wäre es auf jeden Fall, in einem wirklichen Notfall die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes zu wählen.
Denn da könne man auch schon mal in einer Warteschleife landen. Und in Notfällen komme es auf jede Sekunde an. „Spätestens in 15 Minuten sind wir in 90 Prozent der Fälle an der Unfallstelle“, sagt Biermann, der Disponent schickt das am nächsten positionierte Einsatzfahrzeug von einer der 16 Rettungswachen im Landkreis zum Unglücksort.
Und auch die Notfallhelfer vor Ort würden immer mit alarmiert. Diese ehrenamtlichen Rettungskräfte - rund 75 gibt es im Landkreis - seien mitunter sogar schneller vor Ort als der Notarzt und RTW. „Und die bleiben meist auch noch vor Ort und kümmern sich um die Angehörigen, wenn die Rettungskräfte wieder abgerückt sind.“
Landtagsabgeordnete Andrea Schwarz: „Beispiel für den europäischen Zusammenhalt“
Landtagsabgeordnete Andrea Schwarz, bei den Grünen für den Bevölkerungs- und Katastrophenschutz sowie die Ehrenamtlichen im Rettungsdienst zuständig, über den Europäischen Tag des Notrufs, der heute begangen wird.
Seit 2009 gilt die Notrufnummer 112 europaweit. Wie bewerten Sie das?
<cite class="statement__person">Schwarz</cite>
Die 112 ist eine europäische Errungenschaft. Egal ob in Norwegen, Portugal oder Serbien, wer die 112 ruft, kann sich sicher sein, dass Hilfe kommt. Die Nummer 112 schafft Sicherheit und Klarheit in Situationen, in denen wir Hilfe brauchen. Ein gutes Beispiel für europäischen Zusammenhalt.
Bringt so ein Erinnerungstag denn überhaupt etwas?
<cite class="statement__person">Schwarz</cite>
Auf jeden Fall. Zum einen, weil viele Leute immer noch nicht wissen, dass die 112 europaweit gilt, und zum anderen, weil damit auch der ungeheure Einsatz des Rettungswesens ins Blickfeld rückt. Die Feuerwehren nimmt man vielleicht noch wahr, weil über deren Einsätze berichtet wird. Aber die Rettungsdienste, die deutlich häufiger ausrücken, gehen in der Wahrnehmung oft unter. Dabei leisten die Hauptamtlichen im Rettungsdienst und insbesondere die Ehrenamtlichen hervorragende Arbeit und retten Leben. Die ehrenamtlichen Vereine vor Ort sind die ersten, die bei den Patienten und Patientinnen eintreffen und tragen somit dazu bei, gerade bei Herzstillstand, Folgeschäden zu verhindern oder zu minimieren.
Wo sehen Sie als Landespolitikerin Mängel im System?
<cite class="statement__person">Schwarz</cite>
Ein Problem sehe ich bei den Befugnissen der Notfallsanitäter. Sie erlernen in ihrer Ausbildung weitreichende Maßnahmen, um Patienten zu versorgen. Im Einsatz dürfen sie das dann aber nicht anwenden. Sie dürfen beispielsweise einem Verunglückten mit großen Schmerzen kein Schmerzmittel verabreichen, sondern müssen auf den Notarzt warten. Hier ist dieses Jahr der Bundesgesetzgeber gefordert, Klarheit zu schaffen. Außerdem sind die Rettungswachen vielerorts viel zu klein und eng ausgelegt.