Leitstellen brauchen im Krisenfall Ersatz
ILS Karlsruhe bekommt zur Sicherheit neue Back-up-Einrichtung in Bruchsal
Eine Großstadt wie Karlsruhe verfügt über eine in Teilen verletzliche Infrastruktur. Gesteuert oder überwacht wird diese Infrastruktur in aller Regel von unterschiedlichen Leitstellen. Doch was ist, wenn jene ausfallen? Dann braucht es auch für die Leitstellen eine Krisenvorsorge.
Polizei an Bahnübergängen, Zusammenstöße, Fahrausfälle: Der Stromausfall über mehrere Stunden in der Leitstelle der Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK) und der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) im Oktober hat gezeigt, wie komplex die Folgen derartiger Ausfälle sind. Wichtige Leitstellen sind ohne Noteinrichtung nicht denkbar. Die Integrierte Leitstelle (ILS) an der Wolfartsweierer Straße koordiniert Einsätze von Feuerwehr und Rettungsdienst im Stadt- und Landkreis. Doch was ist, wenn etwa Baggerarbeiten im Umfeld eine zentrale Leitung durchtrennen oder die ILS wegen Weltkriegsbombenfunden in der Umgebung geräumt werden muss?
Dann braucht es eine „Redundanzeinrichtung“. Handlungsdruck entstand, da sich die bisherige Notleitstelle bei der Branddirektion in der Ritterstraße befindet. Diese zieht aber bald in die neue Hauptfeuerwache neben der ILS um. Direkt neben der ILS aber ergibt eine Noteinrichtung keinen Sinn. Die Träger (DRK Kreisverband, Landkreis und Stadt) haben sich nun auf eine neue Notleitstelle beim DRK in Bruchsal verständigt, teilte Bürgermeisterin Bettina Lisbach den BNN mit. Das Gebäude dort bietet aufgrund seiner Lage, technischen Grundausstattung und der gemeinsamen Nutzung mit dem DRK ideale Voraussetzungen. Die Umbaumaßnahmen haben bereits begonnen. Die Redundanzleitstelle soll im Frühjahr 2021 zur Verfügung stehen, so Lisbach weiter.
Das Notfallkonzept für die Mitarbeiter der Leitstelle der Verkehrsbetriebe in der Gerwigstraße, von der aus die Schienenfahrzeuge der VBK und der AVG gesteuert werden, sieht einen Umzug ans Mühlburger Tor vor. Im Stadtgebiet wurde im Oktober von dort aus der Betrieb die gesamte Zeit über aufrechterhalten, so die Verkehrsbetriebe. Die Außenanlagen haben eigene Stromkreise. Zudem fahren die Fahrzeuglenker in der Innenstadt laut VBK auf Sicht und stellen Weichen notfalls von Hand. Anders bei den Zügen der AVG: Deren System funktioniert nicht autark wie im Stadtgebiet. Bei einem Totalausfall der Leitstelle Gerwigstraße müssen für die AVG Notbedienplätze in Eppingen, PforzheimBrötzingen, Gernsbach, Ubstadt und Ettlingen besetzt werden. Bis die betriebsfähig sind, dauert es allerdings eine gewisse Zeit.
Bei den Stadtwerken wird das Strom-, Gas-, Trinkwasser- und Fernwärmenetz in rund um die Uhr besetzten Leitstellen geführt. Dort laufen alle Störmeldungen unmittelbar auf, Experten bewerten die Situation. Das erklärte Ziel: Eine Wiederversorgung muss so schnell wie möglich erfolgen, so Stadtwerke-Sprecher Markus Schneider. Und bleibt tatsächlich etwa durch ein defektes Kabel einmal der Strom in einem Stadtteil weg, können Fehler in der Leitstelle – angesiedelt in einem speziell gesicherten Gebäude – eingegrenzt und häufig mittels Fernsteuerung auf intakte andere Kabelverbindungen umgeschaltet werden. Derartige Leitstellen werden bei den Stadtwerken redundant vorgehalten. So gibt es auch bei den Stadtwerken Notleitwarten. Dies nützt zurzeit doppelt. Denn in diesen Notleitstellen kann das (hoch spezialisierte) Schichtpersonal getrennt voneinander arbeiten, um etwa das Corona-Infektionsrisiko zu senken.
Eine der größten Industrieanlagen der Stadt ist die Raffinerie MiRO, ein Betrieb mit naturgemäß höchsten Sicherheitsanforderungen. Die MiRO hat zwei Werkteile, die weitgehend unabhängig voneinander betrieben werden. In jedem gibt es eine Zentrale Messwarte, in der die Anlagen mithilfe eines Prozessleitsystems zentral gesteuert und überwacht werden, erklärt Sprecherin Yvonne Schönemann. Dieses Prozessleitsystem ist redundant ausgelegt, im Falle eines Ausfalls übernimmt also automatisch ein Ersatz-System – und dies ohne Unterbrechung.
BNN
Autor: Theo Westermann